Der ganz Andere Laden
Welches Geschäft in Füssen hätte nicht gerne Verkäuferinnen und Verkäufer, die begeistert und engagiert im Laden und im Lager mithelfen, und das, ohne Lohn zu verlangen? In Füssen gibt es das. Fast 60 Ehrenamtliche arbeiten für den Weltladen am Brotmarkt. Worum geht es eigentlich beim Weltladen? Wirtschaftlich benachteiligte Gruppen in den Ländern des Südens und in einigen Regionen Europas sollen unterstützt werden und fair gehandelte Produkte verkauft werden. „Wenn Ihr uns gerechte Preise zahlt, könnt Ihr Eure Almosen behalten!“(Dom Helder Camara, brasilianischer Bischof). Das ist auch die Grundeinstellung des Weltladens Füssen. Seit Beginn der 1970er Jahre gibt es die Pionieren des fairen Handels in Deutschland mit inzwischen 800 Weltläden. Der Weltladen Füssen gehört dazu und ist einer der 4 umsatzstärksten in Bayern. Hier können Kaffee und Tee in vielen Sorten, Honig, Zucker, Nüsse, Gewürze, Schokolade, Orangensäfte und Bananen gekauft werden. Neben einem breiten Angebot an Lebensmitteln finden man auch hochwertige Gebrauchsgegenstände wie Korbwaren, Spielzeug oder Musikinstrumente. Schmuck und Kunstgewerbe von anderen Kulturen und Kosmetik gehören auch zur Verkaufspalette.
Andrea Helmer (Geschäftsführung des Weltladens) und Rosalie Nold (Vorsitzendes des Vereins „Eine-Welt-Partnerschaft“) erklären uns, was fairer Handel bedeutet: Bei unseren Produzenten soll möglichst viel Geld bleiben, damit sie existenzsichernde Löhne erhalten. Fairer Handel heißt, keine Kinderarbeit, kein Zwischenhandel, Handeln mit Kleinproduzenten und Kleinhandwerkern, Vorkasse zahlen, Gesundheitsprogramme befolgen.
Die Kleinbauern und Kleinhandwerker sind immer in Genossenschaften zusammengeschlossen. Die Genossenschaft verteilt die Gelder. Ein Beispiel: die Kleinbauern, die Kaffee anbauen, leben auf großen Höhen völlig verstreut. Die Kaffeeernte muss ja abgeholt werden und irgendwo zur Weiterverarbeitung zusammengeführt werden und am Ende zum Schiff gebracht werden. Dafür benötigt man Lkw’s, die von der Genossenschaft angeschafft werden.
Wo sind diese Genossenschaften beheimatet?
Sie gibt es in den sogenannten Ländern des Südens: Afrika, Lateinamerika, und in Asien in Indien und Bangladesch. Es sind arme Länder, aber nicht die ärmsten Länder, weil in denen die Infrastrukturen nicht so sind, dass man mit ihnen handeln könnte. Wir treiben keinen Handel mit Ländern, wo Diktaturen herrschen, weil man da nicht kontrollieren kann, wo die Gelder bleiben.
Frau Helmer, Sie waren ja kürzlich im Nepal, um sich selbst vor Ort ein Bild machen zu können. Wie kam es dazu?
Es wird von den Importeuren immer mal wieder den Weltladenmitarbeitern angeboten mitzufahren, wenn es darum geht, sich die Projekte vor Ort anzuschauen. Die Nepalhilfe Ganesh (Dortmund) hatte zu diesem Zweck vor kurzem eine Reise in den Nepal organisiert. Mein Anliegen waren immer schon die sozial Schwachen.
Seit wann gibt es den Weltladen in Füssen?
Rosalie Nold: Seit 1997 gibt es uns. Es gab uns aber schon 5 Jahre vorher als Aktionsgruppe in der Füssener Pfarrei ‚Zu den acht Seligkeiten‘. Ich hatte eine Jugendgruppe begleitet, die etwas Sinnvolles tun wollte. In Kaufbeuern und Kempten gab es damals schon Weltläden, wo wir uns erkundigen konnten. In Kaufbeuern haben wir dann anfangs die Waren auf Kommission geholt. Nach den Gottesdiensten wurden diese Produkte verkauft. Und irgendwann haben wir soviel Geld umgesetzt, dass der Steuerberater uns geraten hatte, einen Verein ins Leben zu rufen. So haben wir 1996 den gemeinnützigen Verein „Eine-Welt-Partnerschaft“ gegründet, mit dem Ziel, die „Dritte-Welt“ -Aktionen vieler verschiedener Gruppen in der Region zu bündeln. Im Januar 1997 haben wir dann in der Jesuitergasse den ersten Laden aufgemacht. 2007 sind wir zum Brotmarkt gezogen und 2017 haben wir hier nebenan den Ökofairen Modeladen eröffnet. Heute kaufen wir nur noch direkt bei den Importeuren.
Wie kommt es, dass Sie so viele Mitarbeiter haben und gibt es auch bezahlte Kräfte?
Unser Verein „Eine-Welt-Partnerschaft“ hat 179 Mitglieder und 57 dieser Mitglieder arbeiten hier. Eine bezahlte Kraft ist für die Organisation beider Läden sowie den Einkauf des Weltladens verantwortlich und zwei Frauen in Teilzeit kümmern sich um den Einkauf und die Präsentation der Kleidung im Modegeschäft. Alle andern arbeiten hier ehrenamtlich mit. Dazu muss noch gesagt werden, dass die Weltläden nicht gewinnorientiert arbeiten.
Sie haben auch Auszeichnungen erhalten. Welche?
Andrea Helmer: Bei der Fachmesse des Weltladen-Dachverbandes in Bad Hersfeld erhielten wir aus der Hand von WFTO (World Fair Trade Organization) Präsident Rudi Dalvai die Auszeichnung „Fairer Handel. Garantiert“ entgegen. In den vergangenen Jahren wurde ein umfassendes Garantiesystem zur Absicherung der eigenen Glaubwürdigkeit entwickelt, das vom Produzenten bis zum Weltladen die Wertschöpfungskette des Fairen Handels umfasst. Das Zertifikat hängt in unserem Laden. Für uns heißt das, dass wir nur bei Fair-Händlern kaufen, die vom Dachverband und der WFTO zertifiziert sind. usserdem gewann der Weltladen Füssen einen Preis beim Ideen Wettbewerb des Weltladen Dachverband. Wir hatten uns in der Kategorie Werbung beworben und prompt den ersten Preis gewonnen. Ausgezeichnet wurden wir für die Kombination von stimmiger Präsentation der Ware im Schaufenster, der Idee Kunst im Fenster und dem dazu passenden Inserat.
Ist Füssen ein guter Standort für den Weltladen?
Der Brotmarkt ist ein guter Standort für uns und Füssen sowieso. Die Zusammenarbeit mit der Stadt läuft gut. Füssen als „Faire Stadt“ ist durch die Initiative des Weltladens entstanden. Wir verkaufen kommission mäßig an die Förderschule Füssen Orangensaft, und an die Hauptschule und die Gymnasien Füssen und Hogau Süßigkeiten. Außerdem haben wir 10-15 Kommissionen für Pfarrgemeinden und Vereine, die für ihre Fest bei uns bestellen. Der Weltladen Füssen hat ein gutes Netzwerk.
Seit wann gehören Sie zur Werbegemeinschaft?
Wir waren schon vor 2013 Mitglied der Werbegemeinschaft. Wegen der Erhöhung der Beiträge sind wir ausgetreten, weil wir uns das nicht leisten konnten. Seit unter Sabine Riegger als Vorsitzende der Werbegemeinschaft (2013) die Beiträge für gemeinnützige Vereine herabgesetzt wurden, sind wir wieder beigetreten.
Warum sind Sie in der Werbegemeinschaft?
Rosalie Nold: Weil es uns sehr wichtig ist, dass in dieser Stadt gemeinschaftlich etwas vorangebracht wird. Füssen braucht einen funktionierenden Einzelhandel. Andrea Helmer war ja auch unter Frau Riegger im Vorstand und da haben wir uns sehr engagiert. So kennen wir die Werbegemeinschaft ganz aus der Nähe und unterstützen sie. Wir sind sehr dafür, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen.
Was würden Sie sich von der Werbegemeinschaft erwarten?
Andrea Helmer: Die Werbegemeinschaft kann nicht mehr Hilfestellungen geben als sie das jetzt schon tut. Die Gelder, die die Werbegemeinschaft zur Verfügung hat, sind einfach zu gering, um irgendetwas Tolles aus dem Boden zu stampfen. Wir wären sehr dafür gewesen, dass wir die Nacht der Lichter (Füssen leuchtet) erhalten hätten, weil das einfach ein Superhighlight für alle Einzelhändler war. Gemeinsame Aktionen, gemeinsame Werbung wäre wichtig. Wir hoffen sehr, dass bei der Innenstadtstudie der Stadt Füssen irgendetwas Gutes dabei herauskommt.
Wie sehen Sie Ihre Zukunft und die Zukunft des Handels in Füssen?
Wir beschäftigen uns sehr mit der Zukunft auch für unsere Läden. Ganz viele von uns sind von Anfang an dabei. Wir werden bald alt miteinander hier. Und da ist Zukunft ohnehin wichtig, nicht nur für Füssen, sondern auch für uns. Und wir sind gerade daran, einiges neu zu regeln.
Und für Füssen, ich denke es sollte nicht noch einmal eine Imbissbude kommen. Man müsste mehr auf Qualität als auf Quantität setzen. Wenn wir auf die Gäste und den Fremdenverkehr eingehen, dann schätzen die sehr wohl die Qualität. Großstädter wissen, was Weltläden sind. Sie schätzen diese Schiene. Bei den Füssenern müssen wir noch an diesem Bewusstsein arbeiten.
Wir tun uns ein bisschen leichter als andere Einzelhändler, weil neben unserer Werbung, mit unserem hohen Personalaufkommen mit 57 Mitarbeitern jeder noch mindestens zehn Leute hinter sich hat, die dann hier zum Einkaufen kommen. Das ist unser Vorteil. Aber wir brauchen auch die Einheimischen, sonst sind die Wintermonate zu hart.
Und von der Stadt Füssen, was wünschen Sie sich?
Rosalie Nold: Die Verkehrssituation am Brotmarkt sollte überdacht werden. Und noch eines. Wir werben als Fahrradstadt Füssen und leider stehen die Fahrräder wie wild überall herum. Wir benötigen mehr Fahrradständer.
Noch ein Wunsch: Füssen heißt Fairtradestadt. Deswegen würde ich mir wünschen, dass das vielleicht kundgemacht würde beim Ortsschild und auch im Briefbogen der Stadt, so wie das viele Fairtradestädte tun. Man müsste die Wertschätzung dieses Titels mehr sichtbar werden lassen.
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Photos & Text: Milla Wagner und Wilfried Wehling
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